Donnerstag, Dezember 29, 2005

13. Etappe: Bad Münder - Bad Nenndorf (Nds.): 29. Dezember 2005

Expedition im Tiefschnee über den Deister ins heiße Solebad

Biergarten am Nordmannsturm im Deister

genaue Strecke:
Bahnhof Bad Münder - Bad Münder - An der Ziegenbuche - Forsthaus Hemschehausen - Nienstedt - Nordmannsturm - Kammweg - Heisterburg - Mooshütte - Bad Nenndorf
Distanz: ca. 30 km
noch zu laufen: ca. 1.660 km
Mitwanderer: meine Arbeitskollegen Christian und Sebastian
Höhepunkt des Tages: Winterdurchsteigung der Deister-Südwand

Chris und ich beginnen diese Etappe am Bahnhof Bad Münder, wo ich vor 6 Wochen in die entgegengesetzte Richtung losgelaufen war und am Bahnsteig eine Flasche Küstennebel versteckt hatte, die ich jetzt wieder aus dem Schnee grabe.
in Bad Münder erwartet uns am Supermarkt Minimal unser ortskundiger Führer Sebastian, dessen Eltern hier wohnen. Mit den Sehenswürdigkeiten des Ortes halten wir uns nicht lange auf, sondern wandern am Kurpark und diversen Schulungs- und Gewerkschaftsheimen vorbei stramm bergan zum Deister.

Sebastian zeigt uns die Schönheiten von Bad Münder


Schauinsland: Ausblick auf das Tal zwischen Deister und Süntel

Dort oben am Waldrand sind alle Wege tief eingeschneit und stellenweise gibt es mehr als kniehohe Schneeverwehungen. So bekommt unsere Wanderung regelrechten Expeditionscharakter, spätestens bei der Überquerung des freien Feldes oberhalb von Nettelrede - ein strammer Nordwestwind peitscht uns den Schnee ins Gesicht , und wir bahnen uns im Gänsemarsch unseren Weg durch die Schneeverwehungen. Amundsen und Scott hätten für ihre Fahrten auch am Deister trainieren können! (Und meine Kamera setzt leider wegen Batterieversagen aus.)

bei Nienstedt: Begegnung mit dem ersten Langläufer

In einem ziemlichen Zickzack bewegen wir uns dann Richtung Nienstedt. Wir begegnen einem Treckerfahrer, der seinen jungen Hund Alf Gassi fährt und später einem Mercedes-Geländewagen, woraufhin sich meine Mitwanderer stundenlang über ihre Allrad-Traumautos austauschen.

Chris, noch ganz entspannt, am Fuße der Deister-Südwand

Im Wald oberhalb von Nienstedt wird es dann so richtig steil - wir sind an der berüchtigten Deister-Südwand, die direkt zum Nordmannsturm hoch führt. Laut den Wegweisern gibt es hier einen Weg; aber wenn er tatsächlich existiert, dann ist er unter dem Schnee nicht zu erkennen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns im Tiefschnee steil durch eine Waldschneise hoch zu kämpfen. Sebastian hat offensichtlich am wenigsten Weihnachtsspeck angesetzt und den größten Hunger und spurt vorneweg, Chris und ich folgen und sind bald ordentlich durchgeschwitzt.
Oben angekommen, sind wir überrascht über die vielen Wanderer, dabei hatten wir an der Südwand vor uns noch gar keine Spuren gesehen. Naja, die sind eben alle auf bequemen Wegen vom Nienstedter Pass heraufgekommen. Trickser! Aber der Expeditionscharakter unserer Etappe ist ein bisschen hin...
Biertische- und bänke am Turm liegen unter einer dicken Schneedecke. Wir schaufeln uns Sitzplätze frei und verspeisen beim Picknick im Freien Pulsnitzer Lebkuchen und Gutes aus Muttis Küche. Natürlich wird uns ziemlich bald kalt, und wir freuen uns auf ein heißes Getränk in der warmen Gaststube - bei der Vorfreude bleibt es aber auch, denn alle Tische sind dort belegt. So ziehen wir nach dem obligaten Gipfelfoto weiter.

Gipfelbild vor dem Nordmannsturm (Hat es jetzt auch wirklich fotografiert?)

Eigentlich brauchen wir jetzt einfach nur noch auf dem gut ausgeschilderten Deister-Kammweg bis nach Nenndorf zu laufen. Aber bei einer Gabelung an der "Alten Taufe" (woher diese Ortsbezeichnung?) schwenkt der Kammweg unerwartet nach links und wir, in ein Gespräch verwickelt, marschieren stumpf geradeaus weiter. Nach einem Kilometer Bergab-Marschieren scheinen alle Wegweiser plötzlich in die falsche Richtung zu zeigen und uns schwant, dass wir nicht mehr richtig liegen. Aber wo sind wir genau? Jetzt wäre GPS gut! Erst mit Hilfe von Chris' Kompass und leicht alkoholisierten Barsinghäuser Wanderern klärt sich die Situation: Ohne es zu merken, sind wir fast eine 180°-Kurve gelaufen, die wir jetzt wieder zurück zum Kammweg müssen.

"Juchhu, wir haben den Weg wieder!" Auf dem Deister-Kammweg

Nach dieser Eskapade werden wir vorsichtiger und verlieren unseren Weg nicht mehr. Zügig geht es voran, so ist zumindest unser Eindruck. Nur die auf den Wegweisern angegebenen Entfernungen stimmen damit nicht überein: Erst sollen es noch 5,3 km sein, dann wieder 5,8, später 3,9 und dann 4,3 km! Vielleicht wollte der örtliche Tourismus-Verein für etwas mehr Spannung sorgen? Wir lassen uns davon nicht irritieren, die Aussicht auf ein heißes Bad im Thermalbad treibt uns an. Mit einsetzender Dämmerung erreichen wir Bad Nenndorf.

Kopf-an-Kopf-Rennen beim Schlussanstieg nach Bad Nenndorf

Das Wasser in der Landgrafentherme ist fast 40°C wärmer als die Luft oben auf dem Deister! Da lassen wir es uns gut gehen und bearbeiten mit den Massagedüsen unsere verspannten Rückenmuskeln.
Auch den letzten Kilometer des Tages zum Bahnhof bringen wir noch ganz passabel hinter uns, und die S-Bahn fährt uns sicher nach Hannover zurück. Ganz prollig leeren wir noch im Zug einen Flachmann.

Dienstag, Dezember 27, 2005

12. Etappe: Friedland - Göttingen (Nds) 27. Dezember 2005

Winterwanderung mit Familienanschluss durch den Reinhäuser und Göttinger Wald

Rodelprofis, im Hintergrund die Reinhäuser Kirche

Strecke: Friedland - Steinkopf - Meridianzeichen - Bocksbühl - Ruine Bodenhausen - Forsthaus Hasenwinkel - Reinhausen - Knüll - Steinsmühle - Klein Lengden - Kerstlingeröder Feld - Hainholzhof - Göttingen
Entfernung: ca. 25 km
Bisher insgesamt gelaufen: 270 km
Noch zu laufen: ca. 1.700 km
Mitwanderer: mein Vater (ab Reinhausen), mein Neffe Lasse (in Reinhausen)
Höhepunkt des Tages: Schnitzelessen in Reinhausen

die nächste Etappe Richtung Norden

Prolog:
Man soll nicht nur über die Deutsche Bahn schimpfen - heute bin ich einem sehr kulanten Schaffner begegnet!
Erst am Frühstückstisch bei meinen Eltern in Göttingen hatte ich nach der Zugverbindung nach Friedland geschaut, und musste mich sehr beeilen, um den Zug noch zu erwischen. Zum Fahrkartenkauf bleibt keine Zeit mehr, vom Schaffner ist am Bahnsteig nichts zu sehen. Bis Friedland werde ich wohl auch so durchkommen, denke ich mir, aber kaum aus dem Bahnhof Göttingen heraus, erscheint der Schaffner im Abteil. Eigentlich wären nach den Regeln der Bahn jetzt 40 Euro fällig, aber ich komme mit dem regulären Fahrpreis von3,10 Euro davon. Glück gehabt!


Am Bahnhof Friedland schaufele ich unter dem Schnee die Schnapsflasche hervor, die ich hier vor 2 Monaten hinterlegt hatte und kaufe dann noch kurz im kleinen Supermarkt ein. Auf gut Glück frage ich die Verkäuferin nach einem schönen Wanderweg nach Reinhausen, aber wie so oft bekomme ich nur eine Beschreibung der Straßenverbindungen zu hören. Schade!

Die Friedländer Kirche

Blick zurück auf Friedland im Leinetal, im Hintergrund "meine" Windräder

Ich will aber viel lieber durch den verschneiten Wald laufen und arbeite mich dazu aus dem Leinetal zum Steinkopf hoch. Dort oben steht still und einsam - und in Zeiten von GPS ein wenig überflüssig - das Meridianzeichen von Gauß, mit dem er die genaue Nord-Süd-Ausrichtung eines Fernrohres der Göttinger Sternwarte eichen konnte. Von hier aus bräuchte ich also nur schnurgerade etwa 12 km nach Norden laufen und käme an der Wohnung meiner Eltern raus, meinem heutigen Etappenziel, nur wenige Schritte von der Sternwarte entfernt.
das Meridianzeichen von Gauß im Wald bei Friedland

Mein weiterer Weg führt mich aber durch den einsamen Reinhäuser Wald. Auf dem frischen Schnee (vom 2. Weihnachtstag) finden sind erstaunlich viele Wildspuren, und einen Fuchs, einen Hasen und mehrere Rehe bekomme ich auch zu sehen. Bei der Wilddichte ist es kein Wunder, dass Bodenhausens (die Waldbesitzer) in der Vorweihnachtszeit mit dem Fleischverkauf ganz gute Geschäfte machen. Heute ist es am idyllisch gelegenen Forsthaus Hasenwinkel aber ruhig.

Impressionen aus dem Reinhäuser Wald

Forsthaus Hasenwinkel

In Reinhausen habe ich mich mit meinen Eltern und meiner Schwägerin Jule mit Janne und Lasse zum Mittagessen im Gasthaus Wienecke verabredet. Wir haben unseren Besuch sicherheitshalber telefonisch angemeldet, und bekommen alle ein gewaltiges Jägerschnitzel vorgesetzt. Für mich nach mittlerweile über 10 km kein Problem, die weniger guten Esser lassen sich den Rest Fleisch einpacken.

Lasse legt den weiteren Streckenverlauf fest

Auf den Sandsteintreppen zur Reinhäuser Kirche

Nach dem Essen drehen mein Vater und ich mit Lasse eine kleine Ehrenrunde über die in den Sandstein gehauenen, verschneiten Treppe zur Kirche und zurück, während Janne gestillt wird. Anschließend arbeiten wir uns zu zweit aus dem engen Reinhäuser Tal hoch auf die kahle Hochfläche, über die ein eisiger Wind pfeift.
Da sind wir ganz froh, im Wald weiter zu wandern, wenn auch mit der groben Karte und wegen des Schnees die Orientierung etwas schwierig ist. Auf kleinen Pfaden und teilweise querfeldein umrunden wir die Erhebung des Knülls und steigen dann wieder ab ins Gartetal zur Steinsmühle. Hier fuhr früher mal die Gartetalbahn, und ihren Verlauf versuchen wir anhand der alten Dämme, Wege und Brücken zu rekonstruieren.
Klein Lengden ist in den letzten Jahren ziemlich groß geworden: im Neubaugebiet haben sich viele Familien ihren Traum vom Glück im Grünen erfüllt. Ob das angesichts weiter Wege wirklich eine gute Wahl ist, fragen wir uns - heute auf jeden Fall ist es für die Kinder klasse, am Rodelhang gleich nebenan ist der Bär los.

Am Neubaugebiet Klein Lengden, im Hintergrund die Gleichen

Wir wandern nun in den Göttinger Wald hinein, auf einem anfangs gemächlich, später stark steigenden Weg. Rechtzeitig zur Dämmerung gelangen wir auf das Kerstlingeröder Feld, dem ehemaligen Göttinger Übungsgelände der Bundeswehr, auf dem mein Bruder Markus schon durch den Schlamm gerobbt ist. Heute liegt diese Hochfläche unter dem Schnee und menschenleer sehr eindrucksvoll da.

Stärkung auf dem Kerstlingeröder Feld

Nun wird es schnell dunkel, aber die restliche Strecke kennen wir von vielen Spaziergängen und Radtouren nur zu gut: Über den Hainholzhof und die Schillerwiesen führt unser Weg bergab nach Göttingen zur Wohnung meiner Eltern am Hainholzweg - und genau hier führt auch der Europäische Fernwanderweg E6 entlang (Flensburg - Harz - Passau). Heute nehmen wir das zum ersten Mal bewusst wahr; und wenn man erst mal die Markierungen - ein weißes Andreaskreuz auf schwarzem Grund - gesehen hat, stechen sie einem regelrecht ins Auge.

Drei stolze Wanderer nach der Zielankunft

Zuhause warten ein heißer Tee und leckere Lebkuchen auf uns - und wir sind froh, endlich die Füße hoch legen zu können.

die nächste Etappe Richtung Norden