Donnerstag, Dezember 29, 2005

13. Etappe: Bad Münder - Bad Nenndorf (Nds.): 29. Dezember 2005

Expedition im Tiefschnee über den Deister ins heiße Solebad

Biergarten am Nordmannsturm im Deister

genaue Strecke:
Bahnhof Bad Münder - Bad Münder - An der Ziegenbuche - Forsthaus Hemschehausen - Nienstedt - Nordmannsturm - Kammweg - Heisterburg - Mooshütte - Bad Nenndorf
Distanz: ca. 30 km
noch zu laufen: ca. 1.660 km
Mitwanderer: meine Arbeitskollegen Christian und Sebastian
Höhepunkt des Tages: Winterdurchsteigung der Deister-Südwand

Chris und ich beginnen diese Etappe am Bahnhof Bad Münder, wo ich vor 6 Wochen in die entgegengesetzte Richtung losgelaufen war und am Bahnsteig eine Flasche Küstennebel versteckt hatte, die ich jetzt wieder aus dem Schnee grabe.
in Bad Münder erwartet uns am Supermarkt Minimal unser ortskundiger Führer Sebastian, dessen Eltern hier wohnen. Mit den Sehenswürdigkeiten des Ortes halten wir uns nicht lange auf, sondern wandern am Kurpark und diversen Schulungs- und Gewerkschaftsheimen vorbei stramm bergan zum Deister.

Sebastian zeigt uns die Schönheiten von Bad Münder


Schauinsland: Ausblick auf das Tal zwischen Deister und Süntel

Dort oben am Waldrand sind alle Wege tief eingeschneit und stellenweise gibt es mehr als kniehohe Schneeverwehungen. So bekommt unsere Wanderung regelrechten Expeditionscharakter, spätestens bei der Überquerung des freien Feldes oberhalb von Nettelrede - ein strammer Nordwestwind peitscht uns den Schnee ins Gesicht , und wir bahnen uns im Gänsemarsch unseren Weg durch die Schneeverwehungen. Amundsen und Scott hätten für ihre Fahrten auch am Deister trainieren können! (Und meine Kamera setzt leider wegen Batterieversagen aus.)

bei Nienstedt: Begegnung mit dem ersten Langläufer

In einem ziemlichen Zickzack bewegen wir uns dann Richtung Nienstedt. Wir begegnen einem Treckerfahrer, der seinen jungen Hund Alf Gassi fährt und später einem Mercedes-Geländewagen, woraufhin sich meine Mitwanderer stundenlang über ihre Allrad-Traumautos austauschen.

Chris, noch ganz entspannt, am Fuße der Deister-Südwand

Im Wald oberhalb von Nienstedt wird es dann so richtig steil - wir sind an der berüchtigten Deister-Südwand, die direkt zum Nordmannsturm hoch führt. Laut den Wegweisern gibt es hier einen Weg; aber wenn er tatsächlich existiert, dann ist er unter dem Schnee nicht zu erkennen. Uns bleibt nichts anderes übrig, als uns im Tiefschnee steil durch eine Waldschneise hoch zu kämpfen. Sebastian hat offensichtlich am wenigsten Weihnachtsspeck angesetzt und den größten Hunger und spurt vorneweg, Chris und ich folgen und sind bald ordentlich durchgeschwitzt.
Oben angekommen, sind wir überrascht über die vielen Wanderer, dabei hatten wir an der Südwand vor uns noch gar keine Spuren gesehen. Naja, die sind eben alle auf bequemen Wegen vom Nienstedter Pass heraufgekommen. Trickser! Aber der Expeditionscharakter unserer Etappe ist ein bisschen hin...
Biertische- und bänke am Turm liegen unter einer dicken Schneedecke. Wir schaufeln uns Sitzplätze frei und verspeisen beim Picknick im Freien Pulsnitzer Lebkuchen und Gutes aus Muttis Küche. Natürlich wird uns ziemlich bald kalt, und wir freuen uns auf ein heißes Getränk in der warmen Gaststube - bei der Vorfreude bleibt es aber auch, denn alle Tische sind dort belegt. So ziehen wir nach dem obligaten Gipfelfoto weiter.

Gipfelbild vor dem Nordmannsturm (Hat es jetzt auch wirklich fotografiert?)

Eigentlich brauchen wir jetzt einfach nur noch auf dem gut ausgeschilderten Deister-Kammweg bis nach Nenndorf zu laufen. Aber bei einer Gabelung an der "Alten Taufe" (woher diese Ortsbezeichnung?) schwenkt der Kammweg unerwartet nach links und wir, in ein Gespräch verwickelt, marschieren stumpf geradeaus weiter. Nach einem Kilometer Bergab-Marschieren scheinen alle Wegweiser plötzlich in die falsche Richtung zu zeigen und uns schwant, dass wir nicht mehr richtig liegen. Aber wo sind wir genau? Jetzt wäre GPS gut! Erst mit Hilfe von Chris' Kompass und leicht alkoholisierten Barsinghäuser Wanderern klärt sich die Situation: Ohne es zu merken, sind wir fast eine 180°-Kurve gelaufen, die wir jetzt wieder zurück zum Kammweg müssen.

"Juchhu, wir haben den Weg wieder!" Auf dem Deister-Kammweg

Nach dieser Eskapade werden wir vorsichtiger und verlieren unseren Weg nicht mehr. Zügig geht es voran, so ist zumindest unser Eindruck. Nur die auf den Wegweisern angegebenen Entfernungen stimmen damit nicht überein: Erst sollen es noch 5,3 km sein, dann wieder 5,8, später 3,9 und dann 4,3 km! Vielleicht wollte der örtliche Tourismus-Verein für etwas mehr Spannung sorgen? Wir lassen uns davon nicht irritieren, die Aussicht auf ein heißes Bad im Thermalbad treibt uns an. Mit einsetzender Dämmerung erreichen wir Bad Nenndorf.

Kopf-an-Kopf-Rennen beim Schlussanstieg nach Bad Nenndorf

Das Wasser in der Landgrafentherme ist fast 40°C wärmer als die Luft oben auf dem Deister! Da lassen wir es uns gut gehen und bearbeiten mit den Massagedüsen unsere verspannten Rückenmuskeln.
Auch den letzten Kilometer des Tages zum Bahnhof bringen wir noch ganz passabel hinter uns, und die S-Bahn fährt uns sicher nach Hannover zurück. Ganz prollig leeren wir noch im Zug einen Flachmann.

Dienstag, Dezember 27, 2005

12. Etappe: Friedland - Göttingen (Nds) 27. Dezember 2005

Winterwanderung mit Familienanschluss durch den Reinhäuser und Göttinger Wald

Rodelprofis, im Hintergrund die Reinhäuser Kirche

Strecke: Friedland - Steinkopf - Meridianzeichen - Bocksbühl - Ruine Bodenhausen - Forsthaus Hasenwinkel - Reinhausen - Knüll - Steinsmühle - Klein Lengden - Kerstlingeröder Feld - Hainholzhof - Göttingen
Entfernung: ca. 25 km
Bisher insgesamt gelaufen: 270 km
Noch zu laufen: ca. 1.700 km
Mitwanderer: mein Vater (ab Reinhausen), mein Neffe Lasse (in Reinhausen)
Höhepunkt des Tages: Schnitzelessen in Reinhausen

die nächste Etappe Richtung Norden

Prolog:
Man soll nicht nur über die Deutsche Bahn schimpfen - heute bin ich einem sehr kulanten Schaffner begegnet!
Erst am Frühstückstisch bei meinen Eltern in Göttingen hatte ich nach der Zugverbindung nach Friedland geschaut, und musste mich sehr beeilen, um den Zug noch zu erwischen. Zum Fahrkartenkauf bleibt keine Zeit mehr, vom Schaffner ist am Bahnsteig nichts zu sehen. Bis Friedland werde ich wohl auch so durchkommen, denke ich mir, aber kaum aus dem Bahnhof Göttingen heraus, erscheint der Schaffner im Abteil. Eigentlich wären nach den Regeln der Bahn jetzt 40 Euro fällig, aber ich komme mit dem regulären Fahrpreis von3,10 Euro davon. Glück gehabt!


Am Bahnhof Friedland schaufele ich unter dem Schnee die Schnapsflasche hervor, die ich hier vor 2 Monaten hinterlegt hatte und kaufe dann noch kurz im kleinen Supermarkt ein. Auf gut Glück frage ich die Verkäuferin nach einem schönen Wanderweg nach Reinhausen, aber wie so oft bekomme ich nur eine Beschreibung der Straßenverbindungen zu hören. Schade!

Die Friedländer Kirche

Blick zurück auf Friedland im Leinetal, im Hintergrund "meine" Windräder

Ich will aber viel lieber durch den verschneiten Wald laufen und arbeite mich dazu aus dem Leinetal zum Steinkopf hoch. Dort oben steht still und einsam - und in Zeiten von GPS ein wenig überflüssig - das Meridianzeichen von Gauß, mit dem er die genaue Nord-Süd-Ausrichtung eines Fernrohres der Göttinger Sternwarte eichen konnte. Von hier aus bräuchte ich also nur schnurgerade etwa 12 km nach Norden laufen und käme an der Wohnung meiner Eltern raus, meinem heutigen Etappenziel, nur wenige Schritte von der Sternwarte entfernt.
das Meridianzeichen von Gauß im Wald bei Friedland

Mein weiterer Weg führt mich aber durch den einsamen Reinhäuser Wald. Auf dem frischen Schnee (vom 2. Weihnachtstag) finden sind erstaunlich viele Wildspuren, und einen Fuchs, einen Hasen und mehrere Rehe bekomme ich auch zu sehen. Bei der Wilddichte ist es kein Wunder, dass Bodenhausens (die Waldbesitzer) in der Vorweihnachtszeit mit dem Fleischverkauf ganz gute Geschäfte machen. Heute ist es am idyllisch gelegenen Forsthaus Hasenwinkel aber ruhig.

Impressionen aus dem Reinhäuser Wald

Forsthaus Hasenwinkel

In Reinhausen habe ich mich mit meinen Eltern und meiner Schwägerin Jule mit Janne und Lasse zum Mittagessen im Gasthaus Wienecke verabredet. Wir haben unseren Besuch sicherheitshalber telefonisch angemeldet, und bekommen alle ein gewaltiges Jägerschnitzel vorgesetzt. Für mich nach mittlerweile über 10 km kein Problem, die weniger guten Esser lassen sich den Rest Fleisch einpacken.

Lasse legt den weiteren Streckenverlauf fest

Auf den Sandsteintreppen zur Reinhäuser Kirche

Nach dem Essen drehen mein Vater und ich mit Lasse eine kleine Ehrenrunde über die in den Sandstein gehauenen, verschneiten Treppe zur Kirche und zurück, während Janne gestillt wird. Anschließend arbeiten wir uns zu zweit aus dem engen Reinhäuser Tal hoch auf die kahle Hochfläche, über die ein eisiger Wind pfeift.
Da sind wir ganz froh, im Wald weiter zu wandern, wenn auch mit der groben Karte und wegen des Schnees die Orientierung etwas schwierig ist. Auf kleinen Pfaden und teilweise querfeldein umrunden wir die Erhebung des Knülls und steigen dann wieder ab ins Gartetal zur Steinsmühle. Hier fuhr früher mal die Gartetalbahn, und ihren Verlauf versuchen wir anhand der alten Dämme, Wege und Brücken zu rekonstruieren.
Klein Lengden ist in den letzten Jahren ziemlich groß geworden: im Neubaugebiet haben sich viele Familien ihren Traum vom Glück im Grünen erfüllt. Ob das angesichts weiter Wege wirklich eine gute Wahl ist, fragen wir uns - heute auf jeden Fall ist es für die Kinder klasse, am Rodelhang gleich nebenan ist der Bär los.

Am Neubaugebiet Klein Lengden, im Hintergrund die Gleichen

Wir wandern nun in den Göttinger Wald hinein, auf einem anfangs gemächlich, später stark steigenden Weg. Rechtzeitig zur Dämmerung gelangen wir auf das Kerstlingeröder Feld, dem ehemaligen Göttinger Übungsgelände der Bundeswehr, auf dem mein Bruder Markus schon durch den Schlamm gerobbt ist. Heute liegt diese Hochfläche unter dem Schnee und menschenleer sehr eindrucksvoll da.

Stärkung auf dem Kerstlingeröder Feld

Nun wird es schnell dunkel, aber die restliche Strecke kennen wir von vielen Spaziergängen und Radtouren nur zu gut: Über den Hainholzhof und die Schillerwiesen führt unser Weg bergab nach Göttingen zur Wohnung meiner Eltern am Hainholzweg - und genau hier führt auch der Europäische Fernwanderweg E6 entlang (Flensburg - Harz - Passau). Heute nehmen wir das zum ersten Mal bewusst wahr; und wenn man erst mal die Markierungen - ein weißes Andreaskreuz auf schwarzem Grund - gesehen hat, stechen sie einem regelrecht ins Auge.

Drei stolze Wanderer nach der Zielankunft

Zuhause warten ein heißer Tee und leckere Lebkuchen auf uns - und wir sind froh, endlich die Füße hoch legen zu können.

die nächste Etappe Richtung Norden

Sonntag, November 06, 2005

11. Etappe: Bad Münder - Ith-Turm (Nds) 6. November 05


Strecke:Bad Münder Bhf. - Mathildental - Altenhagen II - Brünninghausen - Coppenbrügge - Ith-Turm
(- Lauenstein - Salzhemmendorf - Voldagsen Bhf.)
Entfernung: ca. 21 (31) km
Bisher insgesamt gelaufen:
245 km
Noch zu laufen: ca. 1.715 km
ohne Begleitung
Spruch des Tages: "Das Foto will ich haben!" (ruft die Frau im Hundewagen, als ich sie fotografiere, und ist auch schon weg)

Auf eine eher langweilige "Überbrückungsetappe" zwischen Deister oder Süntel und Ith habe ich mich heute eingestellt und liege damit völlig daneben.

Am Deisterbahnhof Bad Münder starte ich meine Wanderung. Schon nach wenigen Metern geht es in einem Wäldchen mit den den kleinen Entdeckungen los, in denen für mich ein ganz großer Reiz des Wanderns liegt. Hier z.B. stehen mehrere Baracken, ein wenig heruntergekommen, und dienen offenbar noch immer als Treffpunkt der Orts-SPD. In einem Schaukasten lerne ich einiges über deren Wanderabteilung. Seit 25 Jahren besteht diese Gruppe schon, und mit den Jahren scheinen die kulinarischen gegenüber den sportlichen Aktivitäten ein deutliches Übergewicht bekommen zu haben- aber das ist ja eine Entwicklung, die auch beim Wanderwochenende mit meinen Studienfreunden zu beobachten ist (s. Etappe 9). Mal sehen, ob wir in 25 Jahren auch noch dabei sind...
Etwas irritierend ist ein Gedenkstein hinter dem Gebäude:

Heute scheint der Wald die Toten besonders ehren zu wollen:
ein starkerWind rauscht durch die Baumwipfel!

Meine Route verläuft durch eine sonnige, überraschend hügelige Landschaft mit viel Ausblick auf Osterwald und Ith (vor mir) und Süntel und Deister (hinter mir). Von Altenhagen I bleibt mir besonders der prächtige Grünkohl in Erinnerung, der sicher nicht mehr lange zu leben hat.

Immergrüne Miniaturbäume, die bald im Kochtopf landen - Grünkohl.


Kurz vor Coppenbrügge picknicke ich auf einer Bank in der Feldmark und werde neugierig erst von einem Eichelhäher und dann von einem Sperber bestaunt.
Durch Coppenbrügge bin ich schon einige Male mit dem Fahrrad gefahren und stelle heute fest: Nichts habe ich bisher von den Schönheiten des Orts wahrgenommen - weder die alten Fachwerkhäuser, noch die Burg, noch das hübsche Ensemble rings um die Kirche. Schnell beschließe ich, hier noch mal her zu kommen.
Für das Heimatmuseum in der Burg nehme ich mir heute eine halbe Stunde Zeit. Wer beispielsweise wissen möchte, warum Zar Peter I. schon mal hier war, sollte das kleine Museum besuchen - es lohnt sich.

Burg Coppenbrügge mit nettem Heimatmuseum.

Fachwerkidyll in Coppenbrügge.
Ab Coppenbrügge beginnt der steile Aufstieg zum Ith, und die Wanderung bekommt einen ganz anderen Charakter: Ich tauche in den schattigen Wald ein, es wird merklich dunkler und kühler, ich laufe durch bizarre Felsformationen und außer mir ist kaum noch jemand unterwegs. Hier möchte man nachts nicht alleine herumstolpern!


Rascheln im Buchenlaub - beim Anstieg zum Ith.
Für seine Felsen ist der Ith bekannt - zum Beispiel 'Adam und Eva'.

Erst auf dem Kamm bekomme ich die Sonne wieder zu sehen, die sich allmählich im Westen hinter das Weserbergland senkt. Schön, dass die Bäume schon so kahl sind, sonst wäre der Ausblick nur halb so schön!


Eine knorrige Süntelbuche auf dem Ithkamm.

Den Ith-Turm habe ich ganz für mich alleine. Hier oben weht ein sehr frischer Wind, und als die Sonne theatralisch hinter der Dampfwolke des Kraftwerks Grohnde verschwunden ist, wird es richtig frostig. Dies ist sicher die letzte Wanderung des Jahres ohne Handschuhe und Mütze.
In einem hohlen Baumstumpf nahe beim Turm hinterlege ich eine Stärkung für alle, die mich im kommenden Frühjahr zur Lerchenspornblüte weiter Richtung Süden begleiten wollen.



Bei Sonnenuntergang auf dem Ith-Turm.
Im Hintergrund der Kamm des Ith, wo es im kommenden Frühjahr weiter gehen soll.

Epilog:
Vom Kammweg geht es steil nach Lauenstein runter. In einem Tante-Emma-Laden, wie man ihn hierzulande nur noch selten findet, decke ich mich reichlich mit süßem Proviant ein. Krönender Abschluss der Wanderung ist ein genüssliches Bad in der Therme Salzhemmendorf. So genüsslich, dass ich viel zu spät zum Bahnhof Voldagsen aufbreche. So muss ich notgedrungen die letzten Kilometer des Tages durch die Dunkelheit joggen und bin mal gerade 30 Sekunden vor der S-Bahn am Bahnsteig - Puh!.


Sonntag, Oktober 30, 2005

10. Etappe: Werleshausen - Bad Sooden (TH/HE) 30. Oktober 2005


Strecke: Werleshausen - Teufelsleiter - Lindewerrablick - Teufelskanzel - Ausgespann - Wahlhausen - Allendorf - Bad Sooden Bhf.
Entfernung: ca. 17 km
Bisher insgesamt gelaufen:
225 km
Noch zu laufen: ca. 1.735 km
Mitwanderer: Conny, Hans Jörg, Jochen, Jörg, Markus, Matthias, Thomas
Spruch des Tages:
"Diese Fachwerk-Straßenzüge!" (schwärmt Conny in Allendorf und verschwindet für geraume Zeit zum Fotografieren in denselben)
Generalenttäuschung des Tages für die geschichtlich Interessierten:
In einer Kampfabstimmung über das Nachmittagsprogramm unterliegen sie knapp der Chill-out-Fraktion und können deshalb das Grenzmuseum nicht besichtigen, stattdessen müssen sie mit in das Kurviertel von Bad Sooden und Kaffee trinken.

Haben wir gestern Abend einen schlechten Eindruck gemacht? Liegt dem Wirt des Lindenhofs das Schlachtebuffet vielleicht schwer im Magen? Oder hatte er uns im Verdacht, sein Eichsfeld-Buch mitgehen zu lassen, das Markus als Gutenacht-Lektüre mit aufs Zimmer genommen hatte? Jedenfalls ist er an diesem Morgen nicht die Freundlichkeit in Person, verweigert uns Joghurt und Brötchen-Nachschlag und ermahnt uns penetrant, bloß ja nicht die Zimmerschlüssel einzustecken (übrigens völlig umsonst: Jörg tut es doch, merkt es zum Glück aber noch, ehe wir aus Werleshausen raus sind).
Noch frösteln sie - am Werleshäuser Schloss.
Als wir in Werleshausen loswandern, liegt noch eine dicke Schicht Hochnebel über der Landschaft, wie ein schweres Unwetter, das bedrohlich aufzieht. An der Werra führt unser Weg entlang bis kurz vor Lindewerra, wo wir wieder einmal die Grenze überqueren, dieses Mal von Hessen nach Thüringen.
O schaurig ist's, durch Werratal zu gehen - wenn die Sonne noch mit dem Hochnebel kämpft!
Dann wird es richtig steil: von der Werra auf etwa 150 m Höhe geht es auf dem ehemaligen Kolonnenweg in gut 1 km zum Lindewerrablick auf 420 m hoch, das sind schweißtreibende 25 % im Schnitt! Der Grenzstreifen ist hier fast komplett zugewachsen und am ehesten noch an der strahlend gelben Herbstfärbung des Birkenlaubs zu erkennen, das sich deutlich vom Orangebraun der Buchen absetzt. Einige offenere Stellen gibt es noch, die die Gleitschirmflieger für sich entdeckt haben.
Wo es bergig wird...
...legt Conny erst so richtig los...
...und hat ruckzuck die lahmen Männer am Berg stehen gelassen!

Unmissverständlich geben diese vier zu erkennen, dass sie NICHT fotografiert werden wollen. Matthias hat sogar schon demonstrativ den Rucksack mit dem daran befestigten japanischen Kampfmesser vor sich drapiert. Fotograf Jochen hat sich dadurch nicht einschüchtern lassen und für uns diesen spannungsgeladenen Moment am Lindewerrablick eingefangen.
Vom Lindewerrablick wandern wir tiefer nach Thüringen hinein: Immer entlang der Hangkante geht es, stellenweise auf dem Berggrat und über die Junkerkuppe (509m, höchster Punkt der Wanderung), wo der Wind ordentlich pfeift und tiefgrün bemooste Steinbrocken im gelben Herbstlaub verstreut liegen. Bald sind wir an der Teufelskanzel, die inzwischen auch im strahlenden Sonnenschein liegt. Wir suchen uns zwischen Felsen etwas abseits des Rummels einen Picknickplatz und haben eine angeregte Diskussion über Tupperware.

Juchhu, jetzt geht es nur noch bergab - an der Teufelskanzel.
v.l.n.r.: Markus, Conny, Hans Jörg, Achim (knieend), Matthias, Thomas, Jörg (knieend), Jochen.


Die folgenden Kilometer führen weiter fast ausnahmslos durch die leuchtenden Buchenwälder des Höhebergs. Vom Ausgespann an geht der Weg steil bergab ins Werratal bis Wahlhausen.

Vor der Kirche legen wir einen Stopp ein. Während die Planer unter uns noch über den weiteren Streckenverlauf diskutieren, besichtigt Hans Jörg schon das Kircheninnere und ist begeistert (genau wie alle anderen kurz darauf auch) von den unglaublich strahlenden Farben der 300 Jahre alten Bauernmalerei an den Emporen und Wänden. Wenn man bedenkt, dass die Kirche zu DDR-Zeiten beinahe abgerissen worden wäre...
Der anstrengende Marsch hat sein erstes Opfer gefordert! Kommissar Lutz und zwei ihrer Assistenten posieren vor dem leblosen Körper, der erstaunliche Ähnlichkeit mit Jörg hat. Aber warum liegt er mitten vor dem Eingang zur Wahlhäuser Kirche? Und was ist genau geschehen? Rätsel über Rätsel...
Alle meine Mitwanderer in Aktion - von links nach rechts: Jörg, Hans Jörg, Thomas, Jochen, Markus, Conny, Matthias.

Noch einmal überqueren wir die Grenze, dieses Mal von Thüringen zurück nach Hessen, und erreichen bald Allendorf, dessen Fachwerk-Straßenzüge ein(ig)e von uns in ihren Bann schlagen (s.o.). Wir wollen aber noch bis nach Bad Sooden, vorbei an den Gradierwerken ins Kurviertel zu Kaffee und Schwarzwälder Kirsch. Wenige Schritte vom alten Salztor entfernt lassen wir es uns auf der Terrasse eines Cafés richtig gut gehen. Ist es anfangs noch mild, so kühlt die Luft doch später merklich ab, und zumindest die langen Lulatsche unter uns beginnen merklich zu frieren.
Da wird es dann auch Zeit zum Aufbruch, der Zug wartet nicht. In der Hektik vergesse ich ganz, die Staffel-Schnapsflasche am Bahnhof zu verstecken. Stattdessen leeren wir sie dann gemeinsam im Zug und stoßen auf ein gelungenes Wanderwochenende an.

die nächste Etappe in Richtung Norden

Samstag, Oktober 29, 2005

9. Etappe: Friedland - Werleshausen (NDS/TH/HE) 29. Oktober 2005


Strecke:Friedland - Niedergandern - Hottenrode - Hohengandern - Almas Höhe - Stürzlieder Berg - Winterberg - Rimbach - Hanstein - Werleshausen
Entfernung: ca. 17 km
Bisher insgesamt gelaufen: 208 km
Noch zu laufen: ca. 1.750 km
Mitwanderer: Conny, Hans Jörg, Jochen, Jörg, Markus, Matthias, Thomas
Sprüche des Tages:
"Nix passiert!" (rief die Bedienung im Lindenhof, nachdem sie ein Tablett fallen gelassen und mehrere Biergläser zerdeppert hatte)
"Gelbe Sau" (wenig schmeichelhafte Bezeichnung von Matthias für die Sonne, die die Bedienung am Hanstein-Kiosk blendete; anschließend bot er der jungen Frau galant Sonnenschutz)
Generalenttäuschung des Tages:Eine persönliche - Das schwer verdauliche Schlachtebuffet im Lindenhof konnte ich in Folge eines Magen-Darm-Virus nur begrenzt genießen. Allen anderen hat es wohl ganz gut gut geschmeckt.

Prolog:Einmal im Jahr treffe ich mich mit Freunden aus Studienzeiten zum Wandern. Seit einigen Jahren haben wir diese Veranstaltung unter das Motto "Zeig uns Deine Heimat" gestellt, und dieses Jahr habe ich das Privileg, die Wanderstrecke auszuwählen und die Wanderung vorzubereiten.
Die Wahl fällt relativ schnell auf das Grenzgebiet Niedersachsen/Hessen/Thüringen nahe Göttingen, wo bis vor 15 Jahren die Zonengrenze verlief. Meine Eltern unterstützen mich vorbildlich dabei, die Strecke zu erkunden, die sich auch hervorragend in meinen Deutschlandwanderweg einbauen lässt.
Leider kann das Wanderwochenende 2005 erst am letzten Oktoberwochenende stattfinden. Umso größer die Erleichterung, als für Ende Oktober das beste Wetter seit über 70 Jahren angesagt wird.
Am Freitagabend treffen wir uns in Friedland im Hotel Biewald. Leider setzt mich ab dem Nachmittag ein Magen-Darm-Virus außer Gefecht, aber glücklicherweise bin ich rechtzeitig am Samstag morgen wieder fit.



Im Frühtau zu Berge - eine schöne Idee, aber für 8 Wanderer nach anstrengender Anreise nicht durchzuführen. Denn dummerweise muss man ja nach dem Aufwachen erst noch aufstehen, sich frischmachen, ausgiebig frühstücken, Proviant schmieren, Sachen packen und einkaufen ... da kommt man einfach nur schwer vor Mittag los.

Aufbruch unter strahlender Mittagssonne: Matthias, Jochen, Thomas, Markus
Friedländer Impressionen
Diese arg gestutzten Linden könnten auch in Frankreich stehen -
wäre da nicht das südniedersächsische Fachwerk im Hintergrund...

Wir starten unsere Etappe in Friedland im südlichsten Zipfel Niedersachsens. Nach wenigen Kilometern quert die fast fertig gestellte, aber noch nicht für den Verkehr freigegebene Autobahn A38 unseren Weg. Alles ist fertig asphaltiert und eingegrünt, nur die Leitplanken und Verkehrsschilder fehlen noch. So ungefähr müssen die ersten Autobahnen in den 30er Jahren ausgesehen haben. Und in dieser Schlichtheit – und wohlgemerkt ohne den Lärm – ist eine Autobahn ein beeindruckend ästhetisches Bauwerk, das sich harmonisch in die Landschaft einfügt.


Slalomfahren um Mittelstreifen und Mandarinenschalenhäufchen:
so einen geräumingen Radweg wünscht man sich öfter.

Preisfrage: Was tut Thomas hier? An den Start gehen? Kegeln? Meditieren?
Falsch, er fotografiert. Nur eben aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive. (Womit wir auch schon eine Ahnung hätten, was für ein Bild demnächst in der Garten + Landschaft erscheint. -
Thomas hat auf dieser Wanderung entgegen der landläufigen Meinung nicht nur Viehtränken auf Sportplätzen fotografiert. )

Dieses Stück Autobahn ist meins. Jawoll!
Von der A38 gehört rein theoretisch jedem Bundesbürger ein Quadrat mit einer Kantenlänge von etwa 25 cm. Wir 8 Wanderer können also mit vollem Recht knapp zwei Meter der Fahrbahnmarkierung unser Eigentum nennen. Sicherheitshalber signieren wir sie eben noch schnell, bevor wir weiter ziehen.
In Niedergandern hat die Küsterin für uns die Kirche aufgeschlossen, und wir sind beeindruckt von diesem Bauwerk : Außen fast quadratisch, erinnert die hölzerne Inneneinrichtung in Ellipsenform an ein Amphitheater. Selbst zwei Schwalbenpärchen haben sich von der klassischen Architektur inspirieren lassen und in perfekter Symmetrie ihre Nester außen an zwei Fenster oberhalb des Eingangs geklebt. Jörg erklärt diese Kirche spontan zu seiner Lieblingskirche.
Blick von der Empore auf den Altarraum der Niederganderner Kirche.

Kurz hinter Hottenrode überschreiten wir zum ersten Mal die ehemalige innerdeutsche Grenze (von Niedersachsen nach Thüringen) und müssen sehr genau hinschauen, um das wahrzunehmen. Die zahlreichen Einkehrmöglichkeiten Hohenganderns lassen wir links liegen und picknicken bei dem wunderschönen Wetter, das wir haben, lieber auf Almas Höhe in der Sonne. (Wobei laut trompetend ein Trupp Kraniche vorbeizieht.)
Von nun an geht es über mehrere Kilometer auf dem Kolonnenweg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Thüringen und Hessen entlang. Auf und nieder, immer wieder, wo sonst folgt auch ein Weg derartig stur einer Grenzlinie über Berg und Tal? Wir stellen fest (leicht außer Atem), dass die Eichsfelder Schweiz ihren Namen zu Recht trägt. Beeindruckend der Ausblick vom Stürzlieder Berg auf die endlosen LPG-Flächen rings um Bornhagen.
Inspektor Stier bei der Spurensicherung am Grenzstreifen... Wieder mal ein Fall, der Fragen aufwirft:
Wie haben die Grenztruppen die unglaublichen Steigungen des Kolonnenwegs überwunden? Wozu dienen die vielen Löcher in den Betonplatten? Und wo steckt eigentlich Kommissar Lutz?

Eine Besichtigung der imposanten Burgruine Hanstein ist natürlich Pflicht. Zu unserer Überraschung entdecken wir in diesem altehrwürdigen Gemäuer einen Rest authentische DDR : Resopal-Tische im Kaminzimmer ! Und über die verkünstelten Holzvertäfelungen im Rittersaal rümpfen nicht nur die Stilapostel unter uns die Nase – aber am Ausblick vom Turm, wo uns ein frischer Wind um die Nase pfeift, gibt es nicht viel auszusetzen – Lasse, der inzwischen mit meinen Eltern dazu gestoßen ist, meint sogar, er hätte von dort oben die ganze Welt gesehen !
Was amüsiert meine Eltern so sehr? Sie lesen gerade das Speiseangebot des Schlachtebuffets...

Kurz vor Sonnenuntergang nehmen wir das letzte – und vielleicht schönste - Wegstück des Tages nach Werleshausen in Angriff. Durch Obstwiesen und Wald steigen wir auf raschelndem Herbstlaub hinab ins Werratal, vor uns der Ludwigstein und später der Werleshäuser Kirchturm und dahinter das Abendrot. (Wobei wir wieder die Grenze überquert haben, dieses Mal von Thüringen nach Hessen.)
Im Gasthaus Lindenhof bekommt, anders als am Vortag, endlich jeder sein Doppelzimmer (mit Fernseher und Sportschau).
Ein anstrengender Programmpunkt steht noch aus, das Eichsfelder Schlachtebuffet. Es ist im großen Gastsaal aufgebaut, wo auch schon etliche übergewichtige Einheimische sitzen. Wir dagegen sind in einem wenig anheimelnden Nebenraum abgesondert. Das hat aber auch Vorteile, sind wir doch so ein wenig vor der grauenhaften Musik des DJs und später den Tanzaufforderungen älterer Damen geschützt.
Naja, und letztlich: Wir haben genug zu essen, das Bier ist gut (besonders das dunkle) und wir sind am Tagesziel - was wollen wir mehr?
Nach dem schweren Essen haben die meisten von uns zum Tagesausklang noch ein großes Bedürfnis nach einem Verdauungspaziergang entlang der Werra, auf dem wir Bekanntschaft mit kecken Ziegen auf Holzstapeln machen und den Mars in seiner ganzen roten Pracht bewundern können.

die nächste Etappe in Richtung Norden