Samstag, Oktober 29, 2005

9. Etappe: Friedland - Werleshausen (NDS/TH/HE) 29. Oktober 2005


Strecke:Friedland - Niedergandern - Hottenrode - Hohengandern - Almas Höhe - Stürzlieder Berg - Winterberg - Rimbach - Hanstein - Werleshausen
Entfernung: ca. 17 km
Bisher insgesamt gelaufen: 208 km
Noch zu laufen: ca. 1.750 km
Mitwanderer: Conny, Hans Jörg, Jochen, Jörg, Markus, Matthias, Thomas
Sprüche des Tages:
"Nix passiert!" (rief die Bedienung im Lindenhof, nachdem sie ein Tablett fallen gelassen und mehrere Biergläser zerdeppert hatte)
"Gelbe Sau" (wenig schmeichelhafte Bezeichnung von Matthias für die Sonne, die die Bedienung am Hanstein-Kiosk blendete; anschließend bot er der jungen Frau galant Sonnenschutz)
Generalenttäuschung des Tages:Eine persönliche - Das schwer verdauliche Schlachtebuffet im Lindenhof konnte ich in Folge eines Magen-Darm-Virus nur begrenzt genießen. Allen anderen hat es wohl ganz gut gut geschmeckt.

Prolog:Einmal im Jahr treffe ich mich mit Freunden aus Studienzeiten zum Wandern. Seit einigen Jahren haben wir diese Veranstaltung unter das Motto "Zeig uns Deine Heimat" gestellt, und dieses Jahr habe ich das Privileg, die Wanderstrecke auszuwählen und die Wanderung vorzubereiten.
Die Wahl fällt relativ schnell auf das Grenzgebiet Niedersachsen/Hessen/Thüringen nahe Göttingen, wo bis vor 15 Jahren die Zonengrenze verlief. Meine Eltern unterstützen mich vorbildlich dabei, die Strecke zu erkunden, die sich auch hervorragend in meinen Deutschlandwanderweg einbauen lässt.
Leider kann das Wanderwochenende 2005 erst am letzten Oktoberwochenende stattfinden. Umso größer die Erleichterung, als für Ende Oktober das beste Wetter seit über 70 Jahren angesagt wird.
Am Freitagabend treffen wir uns in Friedland im Hotel Biewald. Leider setzt mich ab dem Nachmittag ein Magen-Darm-Virus außer Gefecht, aber glücklicherweise bin ich rechtzeitig am Samstag morgen wieder fit.



Im Frühtau zu Berge - eine schöne Idee, aber für 8 Wanderer nach anstrengender Anreise nicht durchzuführen. Denn dummerweise muss man ja nach dem Aufwachen erst noch aufstehen, sich frischmachen, ausgiebig frühstücken, Proviant schmieren, Sachen packen und einkaufen ... da kommt man einfach nur schwer vor Mittag los.

Aufbruch unter strahlender Mittagssonne: Matthias, Jochen, Thomas, Markus
Friedländer Impressionen
Diese arg gestutzten Linden könnten auch in Frankreich stehen -
wäre da nicht das südniedersächsische Fachwerk im Hintergrund...

Wir starten unsere Etappe in Friedland im südlichsten Zipfel Niedersachsens. Nach wenigen Kilometern quert die fast fertig gestellte, aber noch nicht für den Verkehr freigegebene Autobahn A38 unseren Weg. Alles ist fertig asphaltiert und eingegrünt, nur die Leitplanken und Verkehrsschilder fehlen noch. So ungefähr müssen die ersten Autobahnen in den 30er Jahren ausgesehen haben. Und in dieser Schlichtheit – und wohlgemerkt ohne den Lärm – ist eine Autobahn ein beeindruckend ästhetisches Bauwerk, das sich harmonisch in die Landschaft einfügt.


Slalomfahren um Mittelstreifen und Mandarinenschalenhäufchen:
so einen geräumingen Radweg wünscht man sich öfter.

Preisfrage: Was tut Thomas hier? An den Start gehen? Kegeln? Meditieren?
Falsch, er fotografiert. Nur eben aus einer etwas ungewöhnlichen Perspektive. (Womit wir auch schon eine Ahnung hätten, was für ein Bild demnächst in der Garten + Landschaft erscheint. -
Thomas hat auf dieser Wanderung entgegen der landläufigen Meinung nicht nur Viehtränken auf Sportplätzen fotografiert. )

Dieses Stück Autobahn ist meins. Jawoll!
Von der A38 gehört rein theoretisch jedem Bundesbürger ein Quadrat mit einer Kantenlänge von etwa 25 cm. Wir 8 Wanderer können also mit vollem Recht knapp zwei Meter der Fahrbahnmarkierung unser Eigentum nennen. Sicherheitshalber signieren wir sie eben noch schnell, bevor wir weiter ziehen.
In Niedergandern hat die Küsterin für uns die Kirche aufgeschlossen, und wir sind beeindruckt von diesem Bauwerk : Außen fast quadratisch, erinnert die hölzerne Inneneinrichtung in Ellipsenform an ein Amphitheater. Selbst zwei Schwalbenpärchen haben sich von der klassischen Architektur inspirieren lassen und in perfekter Symmetrie ihre Nester außen an zwei Fenster oberhalb des Eingangs geklebt. Jörg erklärt diese Kirche spontan zu seiner Lieblingskirche.
Blick von der Empore auf den Altarraum der Niederganderner Kirche.

Kurz hinter Hottenrode überschreiten wir zum ersten Mal die ehemalige innerdeutsche Grenze (von Niedersachsen nach Thüringen) und müssen sehr genau hinschauen, um das wahrzunehmen. Die zahlreichen Einkehrmöglichkeiten Hohenganderns lassen wir links liegen und picknicken bei dem wunderschönen Wetter, das wir haben, lieber auf Almas Höhe in der Sonne. (Wobei laut trompetend ein Trupp Kraniche vorbeizieht.)
Von nun an geht es über mehrere Kilometer auf dem Kolonnenweg an der ehemaligen innerdeutschen Grenze zwischen Thüringen und Hessen entlang. Auf und nieder, immer wieder, wo sonst folgt auch ein Weg derartig stur einer Grenzlinie über Berg und Tal? Wir stellen fest (leicht außer Atem), dass die Eichsfelder Schweiz ihren Namen zu Recht trägt. Beeindruckend der Ausblick vom Stürzlieder Berg auf die endlosen LPG-Flächen rings um Bornhagen.
Inspektor Stier bei der Spurensicherung am Grenzstreifen... Wieder mal ein Fall, der Fragen aufwirft:
Wie haben die Grenztruppen die unglaublichen Steigungen des Kolonnenwegs überwunden? Wozu dienen die vielen Löcher in den Betonplatten? Und wo steckt eigentlich Kommissar Lutz?

Eine Besichtigung der imposanten Burgruine Hanstein ist natürlich Pflicht. Zu unserer Überraschung entdecken wir in diesem altehrwürdigen Gemäuer einen Rest authentische DDR : Resopal-Tische im Kaminzimmer ! Und über die verkünstelten Holzvertäfelungen im Rittersaal rümpfen nicht nur die Stilapostel unter uns die Nase – aber am Ausblick vom Turm, wo uns ein frischer Wind um die Nase pfeift, gibt es nicht viel auszusetzen – Lasse, der inzwischen mit meinen Eltern dazu gestoßen ist, meint sogar, er hätte von dort oben die ganze Welt gesehen !
Was amüsiert meine Eltern so sehr? Sie lesen gerade das Speiseangebot des Schlachtebuffets...

Kurz vor Sonnenuntergang nehmen wir das letzte – und vielleicht schönste - Wegstück des Tages nach Werleshausen in Angriff. Durch Obstwiesen und Wald steigen wir auf raschelndem Herbstlaub hinab ins Werratal, vor uns der Ludwigstein und später der Werleshäuser Kirchturm und dahinter das Abendrot. (Wobei wir wieder die Grenze überquert haben, dieses Mal von Thüringen nach Hessen.)
Im Gasthaus Lindenhof bekommt, anders als am Vortag, endlich jeder sein Doppelzimmer (mit Fernseher und Sportschau).
Ein anstrengender Programmpunkt steht noch aus, das Eichsfelder Schlachtebuffet. Es ist im großen Gastsaal aufgebaut, wo auch schon etliche übergewichtige Einheimische sitzen. Wir dagegen sind in einem wenig anheimelnden Nebenraum abgesondert. Das hat aber auch Vorteile, sind wir doch so ein wenig vor der grauenhaften Musik des DJs und später den Tanzaufforderungen älterer Damen geschützt.
Naja, und letztlich: Wir haben genug zu essen, das Bier ist gut (besonders das dunkle) und wir sind am Tagesziel - was wollen wir mehr?
Nach dem schweren Essen haben die meisten von uns zum Tagesausklang noch ein großes Bedürfnis nach einem Verdauungspaziergang entlang der Werra, auf dem wir Bekanntschaft mit kecken Ziegen auf Holzstapeln machen und den Mars in seiner ganzen roten Pracht bewundern können.

die nächste Etappe in Richtung Norden

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